KI und ich

Bericht eines Selbstversuchs

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Uwe Weinreich berät und coacht norma-lerweise zu Themen Strategie, Innovation und digitale Transformation. Als Autor des Blogs  geht er in die direkte Auseinander-setzung mit Künstlicher Intelligenz. Der Ausgang ist unklar.

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Bereits veröffentlicht:

1. KI und ich - Ein Selbstversuch

2. Mathe, Technik und Fremdschämen

3. Lernen im blauen Meer - Azure

4. Experimente bis zum bitteren Ende

5. Der harte Weg zum Webservice

6. Textanalyse entzaubert

7. Vom Bild zum Erkennen

8. Schlechte Witze und Psychopathien

9. Sieben Management-Initiativen

10. Interview mit Dr. Zeplin, Otto Group

 

Soll ich es wagen? Es hilft nichts. Ich muss da durch, sonst komme ich mir als Schwätzer vor. Schon oft habe ich vor Konferenz- und Seminarteilnehmern darüber geredet, dass Digitalisierung und insbesondere Künstliche Intelligenz unsere Welt und vor allem das Wirtschaften grundlegend verändern wird. Verstehe ich denn auch, was wirklich dahinter steht? Die theoretischen Konzepte, mögliche Anwendungsfelder, Optionen für Geschäftsmodelle, IIot etc. all das kenne ich und kann wunderbar darüber plaudern. Ich war auch schon dabei wenn in Projekten künstliche Intelligenz zum Einsatz kam. Aber wirklich hinter den Vorhang habe ich noch nicht geschaut. Das soll sich ab jetzt ändern.

Ich will wissen, was möglich ist, wie es geht. Wie aufwändig ist es mit KI zu entwickeln? Welche Bausteine können Unternehmen nutzen, um selbst neue Lösungen zu entwickeln?

Die Reise begann mit einer freundlichen Einladung von Microsoft, an einem kostenlosen MOOC (Massive Open Online Course) zu Künstlicher Intelligenz und Maschinellem Lernen teilzunehmen, und zwar ganz praktisch mit Programmiereinheiten, die man selbst bewältigen muss.

Mein Investment: Zeit und sicherlich eine gutes Stück Rechenleistung meines Kopfes

Drei bis vier Stunden soll es pro Woche dauern. Das kann eng werden. Außerdem werde ich selbst etwas programmieren müssen. OK, während meiner Wissenschaftszeit musste ich C lernen, mitte der 90er Jahre habe ich dann auch Konakt mit Skriptsprachen für das Internet bekommen. Aber routinierter Entwickler bin ich nicht. Also wird das ein wahrscheinlich doch anstrengender Lernprozess mit Python, einer mir bisher nicht bekannten Sprache. Auf der Ankündigungsseite des Kurses steht zwar, dass Abitur und etwas mathematisches Verständnis reichen, aber diese Begriffe sind dehnbar. Ehrlich gesagt, direkt nach dem Abitur war ich bestimmt um Längen besser in solchen Dingen als jetzt. Eine gute Chance, auch im Alter noch etwas dazuzulernen oder grandios zu scheitern. Wer anderen predigt, dass man den Mut dazu haben sollte, um nicht stehen zu bleiben, muss wohl in den sauren Apfel beißen. Auf geht's. Ich werde berichten.

Die Krux mit der Künstlichen Intelligenz

Was ist Intelligenz? Und was kann dann künstliche Intelligenz sein? Um die Definition natürlicher Intelligenz streiten die Gelehrten seit mehr als hundert Jahren. Komponenten, die sich immer wieder in Definitionen finden, sind Fähigkeit zum logisch-rationalen Denken und Problemlösen. 1912 erfand William Stern den Intelligenzquotienten (IQ) und damit kam eine Einheit in die Welt, die es möglich machte, Menschen zu klassifizieren, sich miteinander zu messen, und für einige auch, eine gewisse Hybris zu kultivieren.

Leider wird der IQ-Wert häufig falsch verstanden. Natürlich ist es charmanter, einen hohen IQ zu haben  als einen niedrigen. Aber wie unterscheiden sich Personen mit einem IQ von unter 70 von denen, mit einem IQ von über 130. Das Einzige, was dieser Wert wirklich präzise aussagen kann, ist, dass es von beiden Gruppen genau gleich viele Personen in der Bevölkerung gibt. Denn der IQ sagt nichts anderes aus als wieviele Personen es mit einem bestimmten Intelligenzniveau gibt. Gemessen wird der Abstand zum festgesetzten Mittelwert 100. Liegen Sie 30 Punkte drüber dann dürfen Sie dem Mensa-Club beitreten, da es nur 2% der Menschen gibt, das erreichen. 30 Punkte unter dem Mittelwert haben Sie es gerade so geschafft der laut ICD 10 sogenannten leichten Intelligenzminderung zu entgehen.

Ob die mit einem IQ von 140 doppelt so intelligent sind, wie jemand mit IQ 70 ist damit nicht gesagt. Es kann sich um graduelle Unterschiede handeln oder um derart drastische Unterschiede, dass sie nicht mehr miteinander verglichen werden können. Auch über den Erfolg von Menschen sagt das alles nichts aus. Es gibt hoch unerfolgreiche Hochintelligente und hoch erfolgreiche weniger intelligente Menschen.

Und jetzt wollen auch die Computer und Roboter hier mitspielen

Bisher war es recht einfach, Computerleistung zu klassifizieren: Prozessorgeneration, Taktgeschwindigkeit, Speicher, Bussystem, Benchmarktests – all das ist wunderbar technisch messbar. Mit dem Einstieg in die Welt der Intelligenz wird die Aussage über die Leistungsfähigkeit genauso schwammig und schwer objektiv messbar wie bei Menschen. Volkhard Bregulla (VP for Automotive, Manufacturing and Iot bei Hewlett Packard Enterprise) klassifizierte während eines Vortrags am Hasso Plattner Institut, Potsdam kürzlich den Stand der künstlichen Intelligenz auf einem IQ-Niveau von 50 bis 70, also nicht pathologisch strohdoof aber weit von dem entfernt, was wir bisher für intelligent halten.

IQ-AI

Aus Sicht einer Personalabteilung qualifiziert sich KI damit höchstens für einfache Hilfstätigkeiten. Immerhin, Hartz IV kann damit vielleicht vermieden werden. Ein Assessment-Programm für höhere Managementfunktionen würde KI nicht bestehen, auch wenn einige Systeme erstaunliche Inselbegabungen zeigen, wie die, Schach- oder Go-Meister schlagen. Eine breite Intelligenz ist das noch nicht. Wir können aber davon ausgehen, dass Systeme schnell intelligenter werden, viel schneller als es biologischen Organismen via Evolution gelingen kann. Laut Bregulla wird 2029 das Jahr sein, an dem eine künstliche Intelligenz existiert, die schlauer sein wird als jeder Mensch. Elf Jahre, das ist wirklich nicht mehr viel Zeit. Wir sollten uns vorbereiten.

Wie es wird weiß niemand – aber wir können gestalten

Die Szenarien, wie unsere Welt dann aussehen wird, sind vielfältig. Es gibt die Apologeten der Singularity University genauso, wie die kritischen Warner und Autoren des Malicious AI Reports. Wir werden wohl sehr bald sehen, welche Konsequenzen KI tatsächlich hat und wie es auf unser Leben wirkt. Während Naturkatastrophen, Epedemien und Mutationen in Organismen schicksalhaft über uns hereinbrechen, haben wir bei Künstlicher Intelligenz einen entscheidenden Vorteil: Wir können sie gestalten. Das eröffnet die Chance, dass sie tatsächlich einen positiven Beitrag leistet. Sie entfaltet ihr Potenzial bereits in Produktion und bei digitalen Services.

Microsofts Plattform Azure ist eine Entwicklungsumgebung für Maschinelles Lernen und Künstliche Intelligenz unter mehreren. Ähnliches bieten auch Amazon Web Services (AWS), Google Cloud, IBM Watson und natürlich spezialisierte IoT-Platformen mit KI-Funktionalitäten. Es ist Zufall, dass ich jetzt bei Azure gelandet bin.

Auf in den Maschinenraum von KI und IoT. Mal sehen, was ich dort lernen kann. Ich werde regelmäßig berichten.

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veröffentlicht: 03.05.2018, © Uwe Weinreich